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Art Forum Berlin

Steigende Ansprüche und so viele Galerien wie noch nie

Das 12. Art Forum zeigt unter dem Motto "About Beauty" das neueste in der zeitgenössischen Kunst. Die herbstliche Kunstmesse ist der vorläufige Schlusspunkt eines turbulenten Kunstsommers mit vielen Großereignissen wie documenta, Biennale und Skulpturprojekte Münster. Das Angebot ist nicht erschlagend sondern spannend und anregend.


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von Irmgard Berner

Auch nach über einem Jahrzehnt gilt das Art Forum als Messe der Experimente und Entdeckungen. Hier hängen mitunter Exponate, die nicht einmal verkäuflich sind, sondern stattdessen etwas erzählen sollen: über die Galerie, ihre Programm und eine Richtung. Die Messe ist vor allem Handelsplatz, aber Statements wie diese werten die Messe auf.
Die "Freestyle"-Galeriestände bieten eine konzentrierte Präsentation mit ihren Soloschauen und führen fast unmerklich in die von Ami Barak kuratierte Sonderausstellung "House Trip". Noch nie haben sich so viele Galerien beworben. An die 480 Aussteller wären gern dabei gewesen, 136 Teilnehmer aus 23 Länder füllen nun die Messehallen am Funkturm. Die Jury hat ihre Ansprüche hoch geschraubt, es gibt nur wenig Belangloses.

Ein Viertel der Galeristen stammt aus Berlin, ein weiteres Viertel stellt zum ersten Mal aus. Der Preisrahmen für die gezeigten Arbeiten beginnt bei knapp 100 Euro und erreicht mit einem kleinen abstrakten Bild von 1997 von Gerhard Richter bei Springer und Winckler satte 560 000 Euro. Werke prominenter Künstler hängen gegenüber Arbeiten von jungen, angesagten Kollegen in den Ausstellungskojen: eine Bibliotheksfotografie von Candida Höfer beim Stuttgarter Galeristen Karlheinz Meyer ist für knapp 60 000 Euro zu haben, auf der anderen Seite strebt ein Großformat des jungen Künstlers Wawrzyniec Tokarski für ein Drittel des Preises schon ins Museum.

Aktuelles aus dem Nahen Osten

Und wo sind die Künstler aus dem Nahen Osten? Ganz am Ende der Halle 18 stellt die Galerie Sfeir-Semier aus Beirut mit Niederlassung in Hamburg den Künstler Walid Raad oder "The Atlas Group" aus. Schwarzweiß Fotografien von Beiruter Wohnblocks mit Einschusslöchern aus dem Bürgerkrieg und sich verdichtenden bunten Punkteschwärmen erzeugen eine paradoxe, nachhaltige Bildsprache. Das ebenfalls fotografische Werk "Before they got their military training" des Künstlers Akram Zaatari zeigt eindringliche Portraits von angehenden Soldaten. Erfreulicherweise bietet Sfeir-Semier eine der düsteren "Gesichtslandschaften" (40 000 Euro) des in Berlin lebenden, syrischen Künstlers Marwan an.
Kurator Ami Barak hat der Galerie Sfeir-Semier, beziehungsweise einem ihrer Künstler Platz für ein Zuhause gegeben. Denn wandert man weiter und begibt sich auf den "House Trip" bis in die hinteren Rückzugsorte und -nischen, so zieht ein litaneihaftes Gebet aus dem Koran erst das Ohr und simultan den Blick an einen archaischen Holzkobel aus Ästen mit fenstergroßer Öffnung. In dem dunklen, leeren Kabinett flimmert gegenüber ein widersprüchliches Bild: in einer barocken Kirche liest ein Muslim die Sure Maryam (Maria) 1 bis 36 aus dem Koran vor. Der ägyptische Konzeptkünstler Wael Shawky selbst deklamiert in seiner Videoinstallation vor dem goldverzierten Altar der Klosterkirche Ittingen das Gebet zur Mutter Jesu Christi. Verbindend und doch verstörend in seiner Kontradiktion beeindruckt diese zum ersten Mal ausgestellte Installation.

"House Trip" mit Liebe zum Detail

Das Ambiente für "House Trip" hat der in Rumänien geborene und in Frankreich lebende Kunsthistoriker und Kurator Ami Barak auf 2000 Quadratmeter in die Messehalle 11.2 gebaut. Hier kann man mit sich und der Kunst allein sein. Korridore führen in seinem Haus mit Fassade, Fenstern und Türen in Zimmer und Kammern, Vorhänge schließen sich hinter dem Betrachter und geben den Raum frei für Konzentration auf das Kunstwerk. Sinnbildlich dafür stehen die zwei Fotoarbeiten "untitled" 2007 des 1964 geborenen, französischen Künstlers Jean-Francois Fourtous. Ein nackter junger Mann in Embryohaltung sprengt beinahe das enge, großväterliche Wohnzimmer. Einer zu klein geratenen Bühne gleich begrenzen die stuckverzierten Wände den blassen Männerkörper. Miniaturbett, Korbsessel, Hocker kontrastieren mit dem mikroskopisch genau gezeigten, überdimensionialen Mann. Schutz oder Begrenzung, eine sentimentale Erinnerung an die Geborgenheit der Kindheit. Dagegen mutet die Installation "Fallujah" des spanischen, in Paris lebenden Künstlerpaares Lucy und Jorge Orta merkwürdig steril an. Krankenbetten in Puppengröße mit Life-vests und Lebensrettungsanzügen, Mikrofone und blanke Feldflaschen hängen an der weißen Flurwand. Sie sind Teil eines Projektes über das grausame Schicksal dieser irakischen Stadt, das sich immer weiter entwickeln soll. Es bleibt denn auch ein Durchgangsraum, an dem es trotz des sozialen Anspruchs der Installation still bleibt.
Dagegen erheitert die bunte Freude an einem maßstabsverkleinerten Schlafwaggon, wahrscheinlich der transsibirischen Eisenbahn, mit Detailliebe bis hin zum Samowar das Gemüt und ist ein weiteres Beispiel dieser gelungenen Sonderausstellung.

Von einer in Bälde platzenden "Kunstblase" kann man wohl nicht sprechen, denn der Rundgang durch das Art Forum hat weiter bewiesen: Kunst lebt, und so bald wird ihr die Luft nicht ausgehen.

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Ami Barak, Kurator "House Trip"; Walid Raad: "Let's be honest the weather helped", 2006; Akram Zaatari: Beirut

Jean-Francois Fourtous: "untitled" 2007; Marwan: "Gesichtslandschaft"; Lucy & Jorge Orta: "Fallujah" 2007

Fotos: Irmgard Berner / nurart.org


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